Arbeit – Leistung – Belastungen. Die Langzeitwirkungen von ERA in der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie

Das Forschungsprojekt beschäftigt sich mit den Langzeitwirkungen des Entgeltrahmenabkommens für die Metall- und Elektroindustrie (ERA) in Baden-Württemberg. Die Untersuchung ist auf fünf Themenkomplexe fokussiert. Es wird erstens untersucht, welchen Stellenwert ERA zehn Jahre nach Beginn des ERA-Einführungszeitraums im betrieblichen Alltag für die Grundentgeltfindung hat. Dabei wird vertiefend danach gefragt, wie praxistauglich die tarifvertraglichen Regelungen sind und wie sich der mit ERA gesetzte institutionelle Rahmen, innerhalb dessen interessenbezogene Interpretationsprozesse der tarifvertraglichen Normen vorgenommen werden sollen, bewährt und weiterentwickelt hat. Zweitens wird analysiert, wie sich die Eingruppierungsstrukturen seit dem Einführungszeitraum entwickelt haben und speziell, ob sich erneut Eingruppierungspraktiken durchsetzen, die mit ERA nicht oder nur schwer vereinbar sind. Drittens wird der Frage nachgegangen, ob die vielfach aufgeschobene Neuregelung des Leistungsentgelts zwischenzeitlich stattgefunden hat, zu welchen Ergebnissen sie führte und ob es in diesem Zusammenhang zu einer Thematisierung der Lohn-Leistungs-Frage kam. Analog wird viertens die „Belastungsfrage“ aufgeworfen: Wurden die ebenfalls meist vertagten Belastungsbewertungen inzwischen vorgenommen? Welche Beschäftigtengruppen erhalten nunmehr ein Belastungsentgelt? Wie wurde die Belastungsfrage in den Betrieben diskutiert und wie reagieren die Beschäftigten und die Betriebsparteien auf die Systemveränderung in der Belastungsbewertung? Schließlich wird fünftens ermittelt, wie Personalmanager und Betriebsräte ERA insgesamt aktuell und rückblickend bewerten. Lassen sich Veränderungen ausmachen? Wie beurteilen die betrieblichen Akteure die Bedeutung des ERA für eine langfristige Stabilisierung des Flächentarifvertrags?

Die Untersuchung konzentriert sich auf die Metall- und Elektroindustrie Baden-Württembergs, deren Tarifverbände die treibenden Kräfte in der Entwicklung und Durchsetzung von ERA waren. Hinsichtlich des empirischen Vorgehens ist eine Kombination verschiedener Methoden vorgesehen.

Durchgeführt wurden Expertengespräche mit Vertretern der Tarifparteien (12 Interviews mit 15 Personen), Fallstudien in 14 Betrieben (20 Interviews mit 36 befragten Personen), eine schriftliche standardisierte Befragung aller tarifgebundenen Betriebe in der M+E-Industrie Baden-Württembergs (927 Betriebe; geantwortet haben 243 bzw. 29 % der Betriebsräte und 133 bzw. 17 % der Personaler) sowie Sekundärauswertungen vorhandener Datensätze (v.a. die jährliche Entgeltstatistik von Südwestmetall).

Ergebnisse

Das Projekt kommt zu der Einschätzung, dass ERA zehn Jahre nach Beginn des Einführungszeitraums nach wie vor strukturprägend für die betriebliche Entgeltfindung ist, die betrieblichen Akteure im Betriebsrat und im Personalmanagement vor allem seine Ordnungsfunktion schätzen und ERA als „Benchmark“ auch Ausstrahlungskraft für nicht tarifgebundene Betriebe entwickelt hat. Allein die Aktualität des tariflichen Beispielkatalogs wird kritisiert, woraus sich ein gewisser Auftrag an die Tarifparteien zu seiner Aktualisierung und ggf. Erweiterung ableitet. Im Leistungsentgelt ist hingegen weitgehend Stillstand eingetreten. Der anfänglichen Hoffnung auf seine Revitalisierung durch ERA ist Ernüchterung und Ratlosigkeit gewichen. Der von der IG Metall favorisierte Kennzahlenvergleich ist in seiner Bedeutung zurückgegangen und spielt lediglich bei Produktionsbeschäftigten in Großbetrieben ausgewählter Branchen noch eine Rolle. Zielvereinbarungen sind als alleinige Methode der Leistungsentgeltermittlung bei tariflichen Beschäftigten nahezu bedeutungslos. In ihrer Verbreitung zugenommen hat die Methode Beurteilen, die ihren „Siegeszug“ weiter fortsetzen konnte. Bewegung ist dennoch in Maßen vorhanden, wie sich in der wachsenden Anzahl der Betriebe zeigt, die mit Kombinationsmodellen experimentieren. Die breitflächige Umsetzung der ERA-Belastungsvergütung hat gezeigt, dass die IG Metall gut beraten war, dieses Regulationsfeld bei Abschluss des ERA nicht aufzugeben. Auch wenn sich die betriebliche Praxis weitgehend außerhalb der Wahrnehmung der Tarifparteien vollzieht, findet sie in einem Großteil der Betriebe statt und die mit ERA vereinbarten Modalitäten werden von den Betriebsparteien mehrheitlich positiv beurteilt und als praktikabel wahrgenommenLaufzeit: 01.02.2015 – 30.04.2017

Projektleitung: Dr. Reinhard Bahnmüller (FATK)

Projektdurchführung: Dr. Reinhard Bahnmüller (FATK), Dipl. Soz. Markus Hoppe (FATK), Rainer Salm (IMU-Suttgart), Walter Mugler (IMU Stuttgart), Dr. Martin SChwarz-Kocher (IMU Stuttgart)

Projektfinanzierung: Hans-Böckler-Stiftung

Veröffentlichungen:

  • Bahnmüller, Reinhard/Hoppe, Markus/Mugler, Walter/Salm, Rainer/Schwarz-Kocher, Martin (2017): Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und Elektroindustrie. Langzeiteffekte in Baden-Württemberg. Study der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 372, Düsseldorf. PDF
  • Mugler, Walter/Salm, Rainer (2017): Körperliche Belastungen. In: Arbeitsrecht im Betrieb, Heft 7, S. 40-43. Artikel
  • Bahnmüller, Reinhard/Hoppe, Markus (2016): Ten years after – Langzeiteffekte von ERA in der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie. In: WSI Mitteilungen 69 (8): 631-640 http://www.boeckler.de/wsi-mitteilungen_106018_106024.htm
  • Bahnmüller, Reinhard/Hoppe, Markus (2016): „Wenn der Staub sich gelegt hat“. Die Langzeitwirkungen von ERA in der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg. Ergebnisse der Befragung von Betriebsräten und Personalverantwortlichen im Herbst 2015. Tübingen. FATK. Das Wichtigste in Kürze  Kommentierte Grundauszählung  Foliensatz
  • Bahnmüller, Reinhard (2017): „Quo vadis – Leistungsentlohnung?“ Empirische Befunde und Thesen. Abschlussveranstaltung zum Projekt „ERA-Langzeitwirkungen“ am 23. Februar 2017 in Düsseldorf. PDF