Entgeltunterschiede zwischen Branchen – Statistische und betriebliche Analysen zur Entgeltbestimmung

Ausgangslage

Bis zur Finanzmarktkrise fielen Entgeltsteigerungen für die Beschäftigten aller Branchen bescheiden aus, die Lohnquote sank, die Lohnspreizung nahm zu, und trotz mancher gewerkschaftlichen Erfolge war eine Tendenz zur Abwertung von Arbeit ersichtlich. Nach einer vorübergehenden Trendwende ist die weitere Entwicklung derzeit offen. Unterschiede zwischen Arbeitsentgelten werden bislang insbesondere zwischen Geschlechtern unter dem Begriff „Gender Pay Gap“ innerhalb von Branchen und Berufen untersucht und diskutiert. Mit Blick auf Unterschiede in der Entgeltentwicklung zwischen Branchen und einhergehende Lohndifferenzen der in diesen Branchen Beschäftigten adressiert das Projekt einen „Branchen Pay Gap“.

Die Arbeit in den sozialen Dienstleistungen ist im Vergleich zur Beschäftigung in der Metall- und Elektroindustrie im Sinne des „Gender Pay Gaps“ zwar stärker durch weibliche Beschäftigungsverhältnisse geprägt, dies liefert jedoch nur einen Teil der Erklärung für Entgeltunterschiede zwischen Branchen. Ursachen für branchenbezogene Unterschiede werden in Faktoren und Mechanismen der Entgeltbestimmung sowie Arenen der Arbeitsbeziehungen zur Verhandlung von Arbeitsentgelten vermutet.

Zielsetzung und Fragestellungen

Das Projekt zielt darauf, Entgeltunterschiede zwischen Branchen zu ermitteln, deren Ursachen und Einflussfaktoren zu identifizieren, diese vertiefend zu analysieren und die Erkenntnisse konzeptionell für Aufwertungsstrategien nutzbar zu machen. 

Im Projekt werden folgende Fragestellungen adressiert:

(1) Wie entwickeln sich Entgeltunterschiede im Zeitverlauf für verschiedene Tätigkeitsbereiche und Berufsgruppen?

(2) Welche ökonomischen, gesellschaftlichen und arbeitspolitischen Faktoren prägen die Branchenunterschiede der Entgeltentwicklung?

(3) Welche Ansatzpunkte ergeben sich, um nicht gerechtfertigten Einkommensdifferenzen entgegenzuwirken?

Das Untersuchungsfeld umfasst die Branchen der Metall- und Elektroindustrie, das öffentliche Gesundheitswesen (insb. Pflege im Krankenhaussektor) sowie die Sozial- und Erziehungsdienste. Damit stehen sowohl produktionsbezogene als auch interaktionsintensive Arbeitsfelder im Fokus der Analysen. Die forschungsleitenden Hypothesen basieren auf einem Untersuchungsmodell, das in einem ersten Zugriff insbesondere die Faktoren Markt (Arbeitsmarkt und Ertrags-/Haushaltssituation), Macht (u.a. gewerkschaftliche Machtressourcen), Institutionen (Mindestlohn, Tarifverträge, Arbeitsbewertungsverfahren) und Konventionen (etwa gender beliefs) berücksichtigt.

Vorgehensweise, Methoden und erwartete Ergebnisse

Branchenvergleiche sollen synchron und diachron durch einen Mix quantitativer (sekundärstatistischer) und qualitativer Methoden ermittelt werden. Dabei werden folgende Arbeitsschritte unternommen:

(1) Explorativ-felderschließende Expert:inneninterviews

(2) Kriteriengeleitete Literatur- und Dokumentenanalyse

(3) Sekundäranalysen statistischer Daten zur Ermittlung intersektoraler Entgeltunterschiede

(4) Qualitative, exemplarische Fallanalysen in Betrieben zur vertiefenden Analyse von Einflussfaktoren der Entgeltbestimmung (Expert:inneninterviews, arbeitsplatzspezifische Beobachtungsinterviews, betriebsbezogene Fokusgruppen sowie branchenübergreifende Paarvergleiche für strukturähnliche Tätigkeits- und Anforderungsprofile)

(5) Validierende Expert:inneninterviews zur Ermittlung von Gestaltungsspielräumen und -pfaden.

Im Ergebnis sollen empirisch fundierte Erklärungen von Entgeltunterschieden und Entwicklungschancen für die genannten Untersuchungsfelder ermittelt werden. Abgeleitet und diskutiert werden Strategien zur Aufwertung von Arbeit, die diskriminierende Entgeltunterschiede verringern und eine generelle Aufwertung begünstigen können (etwa kollektive Lohnsteigerungen, fach- und berufsbezogene sowie arbeitspolitisch inspirierte Veränderungen).

Das Projekt wird in Kooperation des Forschungsinstituts für Arbeit, Technik und Kultur (F.A.T.K.) mit dem Institut Arbeit und Technik (IAT), Westfälische Hochschule (FSP „Arbeit und Wandel“), Gelsenkirchen durchgeführt. Gefördert wird das Projekt von der Hans-Böckler-Stiftung

 

Projektleitung

Dr. Werner Schmidt und Michaela Evans (Institut Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule, Forschungsschwerpunkt „Arbeit und Wandel“)

Projektbearbeitung

Denise Becka und Fikret Öz (beide Institut Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule, Forschungsschwerpunkt „Arbeit und Wandel“) sowie Dr. Werner Schmidt

Laufzeit

01.03.2023 – 31.08.2025