Konfessionelle Wohlfahrtsverbände im Sozialmarkt und die Sonderstellung der Kirchen im Arbeitsrecht und in den Arbeitsbeziehungen

Diakonie- und Caritas-Unternehmen bewegen sich als Wettbewerber auf dem Sozialmarkt. Die vormalige korporatistische Struktur des Sozialen wird schrittweise durch dessen Ökonomisierung abgelöst. Das erzeugt andere Steuerungen und treibt Widersprüche hervor zwischen ethisch-normativen Selbstzuschreibungen und der Realität in den Arbeitsbedingungen der abhängig Beschäftigten besonders im konfessionell gebundenen Teil der sozialen Dienstleistungsproduktion. Der Arbeitgeber-/Arbeitnehmerkonflikt bricht auf.

Dieser Konflikt vollzieht sich vor dem Hintergrund der Sonderstellung der Kirchen im Arbeitsrecht und in den Arbeitsbeziehungen: Arbeitsrechtliche Kommissionen statt Tarifverhandlungen; Kirchliches Mitarbeitervertretungsrecht statt Betriebsverfassungsgesetz; Herausnahme der Kirchen und ihrer Einrichtungen aus den Gesetzen der Unternehmensmitbestimmung. Der Konflikt ist gleichzeitig überlagert von einem Rechts- und gesellschaftspolitischen Diskurs über Grundrechte entlang der Frage, ob den Kirchen und den ihnen zugeordneten Einrichtungen der Diakonie und Caritas zustehe, kollektive und individuelle Arbeitnehmerrechte ihrer Beschäftigten und die Rechte von Gewerkschaften einschränken zu können. Vor den Arbeitsgerichten zweiter und dritter Instanz und absehbar vor dem Verfassungsgericht und/oder auf der europäischen Rechtsebene wird verhandelt, ob die Gewerkschaften zu Arbeitskampfmaßnahmen in kirchlichen Einrichtungen rechtmäßig aufrufen.

Die sozialwissenschaftlich-gutachterlichen Fragestellungen des Projektes konzentrieren sich auf die Punkte: Funktionsweise des Systems der Arbeitsrechtlichen Kommissionen unter dem Gesichtspunkt materieller Verhandlungsparität / Vergleich der Arbeits- und Vergütungspolitik im Sozialsektor: Wettbewerbspraxis über Lohnkosten / Analyse des Wandels der Beschäftigtenstruktur im kirchlichen Sozialsektor / Politikwissenschaftliche Analyse der kirchlichen Sonderposition im Arbeitsrecht.

Projektleitung: Prof. Dr. Josef Schmid
Projektbearbeitung: Dr. Hermann Lührs

Veröffentlichungen
Lührs 2012: Deutscher Bundestag – Ausschuss für Arbeit und Soziales. Sachverständigenstellungnahme zur Anhörung „Grundrechte der Beschäftigten von Kirchen und kirchlichen Einrichtungen stärken“ vom 14.3.2012. Ausschussdrucksache 17(11)829. PDF

Lührs 2012: Mitarbeitervertretung und Betriebsrat im Vergleich – Unterschiede zwischen Betriebsverfassungsgesetz und Mitarbeitervertretungsgesetz. In: Wohlfahrt, Norbert u.A. : Leiharbeit und Ausgliederung in diakonischen Sozialunternehmen. Abschlussbericht einer Forschungsstudie der Hans-Böckler Stiftung. Anhang IV.(2012). http://www.boeckler.de/11145.htm?projekt=S-2011-487-3

Lührs 2012: Ist der „dritte Weg“ der Kirchen gerecht? In: Fisch, Andreas u.A. (Hrsg.): Arbeit – ein Schlüssel zu sozialer Gerechtigkeit. Aschendorff Verlag Münster (2012).